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Was ist Holismus? II

Autorenbild: Hanspeter BäriswylHanspeter Bäriswyl

Aktualisiert: 30. Aug. 2023


Was ist Holismus? II

Adolf Meyer-Abich charakterisiert die elementaren Formen als immateriell, als „Strukturen ohne Substanz“. Ein solcher Standpunkt sollte die Meristen (Vertreter des Merismus) veranlassen (Meristem oder Bildungsgewebe bezeichnet einen Gewebetyp der Pflanzen, der aus undifferenzierten Zellen besteht und an dem Wachstum durch Zellteilung beteiligt sein kann. Der Terminus Meristem wurde erstmals von Carl Wilhelm von Nägeli in seinem Buch Beiträge zur Wissenschaftlichen Botanik in 1858 benutzt.), ebenfalls etwas Immaterielles als Grundlage der Welt anzusehen.

John Scott Haldane ist der Auffassung, dass die physikalische Erklärungen in den biologischen enthalten sei, für den Kerngedanken des Holismus in Bezug auf das Verhältnis der „organischen“ zur „physikochemischen“ Wirklichkeit. Er untermauert diese These durch die folgenden Gedanken:

„Wir glauben, dass wir den lebenden Organismus beherrschen würden , wenn wir in ihrer gewöhnlichen Umwelt alle die Atome und Moleküle in solcher ihnen eigentümlichen Anordnung zusammenfügen könnten, wie sie nach unserer Meinung zu irgendeiner Zeit in einem lebendigen Organismus existiert haben könnten. Aber zum Leben gehört die aktive Selbsterhaltung und die Macht zu unbegrenzt wiederholter Fortpflanzung. Einen lebendigen Organismus kann man nicht aus irgendwelchen Teilen zusammentragen, da aktive Selbstbehauptung zu seinem Wesen gehört. Unter methodologischem Aspekt bemerkt Haldane, dass „das Wesen der von der Biologie entdeckten Erscheinungen auf keinerlei Weise in physikalischen Begriffen ausgedrückt werden kann“. „Für die übliche physikalische Auffassung sind die biologischen Erscheinungen unendlich kompliziert und lediglich aus diesem praktischen Grunde unfähig zu einer physikalischen Formulierung; deshalb bleiben sie unverständlich. Das Leben ist nach seiner tatsächlichen Beschaffenheit gänzlich unfähig, in Begriffen rein physikalischer Auffassungen beschrieben oder verstanden zu werden. Damit weist Haldane mechanistische Auffassungen vom Lebendigen zurück.

Holismus versus Analyse

Der Holismus strebt danach, die Teile aus dem Ganzen heraus zu erklären. Das bedeutet methodologisch gesehen: Der Holismus hält die analytische Methode zum Erfassen des Wesens eines Ganzen für ungeeignet. Das Ganze bleibt dabei gegenüber den Teilen geheimnisvoll; es wird mystifiziert. Hinzu kommt, dass Holismus wie Merismus die Wechselwirkung zwischen den Teilen des Ganzen nicht beachten. Martin Schellhorn präzisiert: „Als Teil existiert etwas nur durch seine Wechselwirkung mit anderen Teilen eines bestimmten Ganzen. Und die Gesamtheit der Teile ist eben durch die Wechselwirkungen zwischen diesen Teilen ein Ganzes. Also ist gerade der Komplex von Wechselwirkungen zwischen den Teilen jenes ‘Mehr’ gegenüber der Summe der Teile. Aber dieses ‘Mehr’ existiert nicht unabhängig von den Teilen, sondern ist eine Äußerung ihrer Eigenschaften, die sie nicht als isolierte Teile besitzen, sondern nur als wechselwirkende Teile eines Ganzen.“ Dieser Standpunkt entspricht der Auffassung des Physiologen Erwin Bünning (1906–1990): Leben ist die „spezifische Gesetzlichkeit, nach der alle beteiligten Faktoren innerhalb und außerhalb des Organismus zusammenwirken. Nicht einzelne Teile leben, sondern die besondere Form natürlicher Vorgänge, die wir als Leben im physiologischen Sinne bezeichnen, ist das Resultat des Zusammenwirkens der für sich leblosen Faktoren.

Holistische Auffassungen wurden und werden in Wissenschaft immer wieder vertreten. Bekannte Holisten waren u.a.

- Aristoteles von Stageira (384–322),

- Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716),

- Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831),

- John Scott Haldane (1860–1935) und

- Adolf Meyer-Abich (1893–1971).

Die Denkweise des Holismus führt auch zu politischen Konsequenzen. Mit ihr Können antidemokratische, faschistische und kolonialistische Gesellschaftsstrukturen gerechtfertigt werden. Dem holistischen „Überstaat“, der herrschenden Elite ist die Persönlichkeit untergeordnet.

J. Smuts bediente sich dieser Auffassung, um als Premierminister der Südafrikanischen Union in den Jahren von 1939 bis 1948 die Rassendiskriminierung zu rechtfertigen. Während der Zeit des Großdeutschen Reiches ging holistisches Gedankengut in die faschistische Staatsideologie ein. Erinnert sei an die Losung „Du bist nichts; Dein Volk ist alles.“

Für das freie Denken ergibt sich aus der Kenntnis des Holismus:

Die Ganzheit und ihre Teile im Zusammenhang zu betrachten, die Wechselwirkung der Teile untereinander und mit der Ganzheit zu berücksichtigen, für das Erkennen des Verhältnisses von Teil und Ganzem die analytisch-synthetische Methode anzuwenden. Gegensatz: Merismus

Literatur:

Bünning, E.: Der Lebensbegriff in der Physiologie. – In: Studium Generale 16(1959)3. – Haldane, J. S.: Die Philosophie eines Biologen. – Jena : Fischer, 1936. – Meyer-Abich, A.: Geistesgeschichtliche Grundlagen der Biologie. – Stuttgart : Fischer, 1963. – Philosophie und Naturwissenschaften / Hg. H. Hörz et al. – Berlin : Dietz, 1991. – Philosophische Aspekte der Biologie / Hg. W. Plesse. – Jena : Fischer, 1982. – Philosophisches Wörterbuch / Hg. G. Klaus ; M. Buhr. – Leipzig : VEB Bibliographisches Institut, 1975.

Autor: Jan Bretschneider

Angaben erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und eine Rechtsverbindlichkeit kann daraus nicht abgeleitet werden.(Quelle: siehe oben und vom Netz) hpb




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